Читающим по-немецки

Почему-то ваш корреспондент все чаще публикуется в изданиях, не отображающихся в Интернете. И ему приходится работать Интернетом самому.

Итак, в № 174 (последнем за прошлый год) журнала «Manuskripte» (Грац, Австрия) опубликованы немецкие варианты «Обстоятельств мест» — не всех наличествующих на данный момент восемнадцати, но одиннадцати из них. Это не переводы, а действительно равноправные варианты, поскольку сочинение чаще всего происходило на обоих языках одновременно.

Интересующиеся благоволят заглянуть под загиб:

Oleg Jurjew

Ortsbestimmungen

KURPFALZ. WEINBERGE IM SCHNEE. EINE KATZE GEHT HINÜBER

Man wirft mit solcher Kraft und so regelmäßig Flaschen ein in eine Glastonne, dass der Eindruck entsteht, jemand hacke gläsernes Holz.

Unverhofft muhte eine Kuh auf — wie eine Tür.

Über die Straße geht langsam eine Katze mit durchhängendem Rücken und einem Hintern wie bei der Kuh. Wären nicht Ohren und Schwanz, sähe sie überhaupt aus wie eine kleine schwarze Kuh.

Nackte Weinberge im Schnee. Es ist nicht eindeutig, was hier gezüchtet wird. Nach der KZ-Grundrissgestaltung zu urteilen: Stacheldraht.

Der Katze entgegen schmatzen von unter dem Schnee kleine Vögel in Angst.

EINE BERGSTRAßE. ÜBER DIE LIEBE ZUM VATERLAND

Dalmatien. Feuer in einem Gebüsch am Straßenrand. Die blausilberne Flamme, nachdem sie bis zum Gehtnichtmehr über die sich abwinkelnden Zweige hochgerannt ist, tut einen Sprung ins Leere und wird zur kleinen Finsternis. In kurzer Zeit kann der gesamte Hang über dem Meer, ja die gesamte Adriaküste aufflammen.

Busse und Autos fahren verlangsamt, wie zurückblickend. Halt macht jedoch nur ein einziger Eistransporter, schräg mit Zebras bemalt. Aus ihm steigt der Fahrer in tarnfarbenem Leibchen, auf seinem Bauch rüttelt er einen Feuerlöscher. Hat gerüttelt, hat geschüttelt – vergeblich — und hat ihn schließlich nach unten rollen lassen in das glänzende Adriatische Meer.

Erbittert stieß er die Transportertür zur Seite und begann das Feuer mit frostigen Handgranaten in buntem Stanniol zu bewerfen.

EINE RASTSTÄTTE AM HÜGEL. KYRILLISCH UND LATEINISCH; VOKALE UND KONSONANTEN

Vorm Himmel, vor seiner zähen lila Haut, die am rechten Rand schon seziert ist und blutige Muskeln entblößt, — im Gegenlicht eine Frau: Wie ein großes russisches У — mit einem bis zum Kinn hin ragenden Busen und dem schmalen, vom Winde aufgebogenen Saum. Neben ihr – ein deutsches J (kursives Kapitälchen) – ihr Mann.

… zudem werden gleich noch ihre Kinderlein aus dem Auto stürmen, die alle aussehen wie i’s und andere kleine Vokale…

Aber nein: Aus der aufgestoßenen Autotür sind zwei Hunde gerannt, mit Vorderpfoten strauchelnd, und haben Platz genommen vis-a-vis, wie ein R und das es spiegelnde russische Я. Mit Rohkotelettenzungen und schaukelnden Wangengirlanden.

Über das U des Parkplatzes beginnen sacht die auf den Kopf gestellten L’s der Laternen zu leuchten.

AM NORDSEESTRAND. DIE WEIßEN MÖWEN HABEN SCHWARZE HÄNDE

Am Strand war es so kalt, daß die Deutschen in Kleidern badeten.

Das Wasser des eben vergangenen Regens bleibt an den Blättern haften in Form von halbdurchsichtigen Huckeln. Tannen sehen wie aufgeschnürte Zypressen aus (umgekehrt wäre es auch richtig). In den gestreiften Hüttchen lesen die bemäntelten und gestiefelten Kurgäste halbliegend Bücher, deren Umschläge schnattern. Neben sich haben sie kleine Hunde mit langen Fransen an den Seiten stehen.

In den vom schimmernden Gras umwundenen Dünen geht noch der alte Wind, der ging.

Am Meer war eine Schöne entlangmarschiert, sie hatte um sich herum geschaut und versucht, mit den Hüften zu schaukeln, die sie gar nicht hatte. Daher schlängelten sich ihre sehr langen Beine in einer Schwingung von den Knöcheln bis zu den Lenden, und zwar in Längsschnitt senkrecht zur Bewegungsrichtung. Über der Brandung schlugen die weißen Möwen langsam Purzelbäume: so stellten sie ihre schwarzen Hände zu Schau.

EIN KLOSTEREIGENES HOTEL IN ÖSTERREICH. DIE BEATIFIZIERTE BEATE

Die Empfangsdame hat ein Lächeln, das mit einer gewissen Verzögerung ihr Gesicht einholt.

Das meditative Panneau im Flur stellt allerlei Igel, Eichhörnchen und vielleicht Kreuzschnabel oder auch Spechte dicht-flaumiger Färbung dar, die mit einem animationsfilmischen Enthusiasmus den Sonnenaufgang begrüßen. Zwei Bärchen heben dabei die Hände hoch, als kapitulierten sie.

Im Speisesaal bedient Schwester Beate. In ihrem trockenen, alemannisch dunklen Gesicht leuchtet die Begeisterung einer christlichen Märtyrerin. Es besteht kein Zweifel, dass jeder von ihr herbei- oder hinweggetragene Teller ein Schritt weiter auf dem langen Weg zur Kanonisierung ist.

„Beatifiziert sind Sie aber jetzt schon? Bei Lebzeiten?“

Sie lacht höflich.

APRIL. DAS NACHTMEER IN FRANKFURT; EINE EINSEITIGE STRAßE

Eine Allee, quasi längs halbiert. Auf der einen Seite Sechs-Familien-Reihenhäuser mit langen Loggien wie in Sanatorien und kleine unschöne Villen; zur anderen – ein steiler Abhang.

Den Hang entlang stehen Platanen, deren Äste so stark beschnitten sind, daß sie nur noch Stümpfe zu sein scheinen. Die großen Stümpfe sind etwas angehoben (für unsichtbare Krücken), den kleinen ist das grüne Haar noch nicht gesprossen.

Über den Hang hin drängt sich durchdringend-gelb Forsythia, auch Goldglöckchen geheißen und von manchen auch ungerechtfertig mit „japanischer Ginster“ betitelt.

Hangabwärts folgen terrassiert Rabatten und Rondelle, schartige Stufen, halbverrostete Geländer. Die etwas dumpfe, glückselige Luft eines vergessenen Kurorts. Und scharf entsteht das Bild, – besonders, wenn die Lichter der Riesenräder von der Dippemesse angehen –: da unten, hinter den Bäumen, muß ein Meer sein.

… Tief in der Nacht, wenn die Dippemesse ihre Lichter löscht, ist dieses Gefühl noch schärfer: Die obere Hälfte Deutschlands ist abgebrochen und irgendwohin abgetrieben, ein kaltes gläsernes Meer ist gekommen und liegt da unten hinter den Bäumen, lautlos, es schaukelt ein wenig, schimmert hin und wieder, feuchten Kalk hauchend.

Natürlich gibt es kein Meer hier. Was hätte es, das Meer vom Norden, zu suchen hier in dieser fast südlichen Stadt? Andererseits … niemand ist wohl je nach unten nachsehn gegangen …

FRANKFURT, IMMER NOCH APRILl; DER ERSTE TAG, NACHDEM MAN DIE KNEIPENTISCHEHERAUSGESTELLT HAT. ÜBER DEN KLEINEN PLATZ MIT DER UHR

geht eine (Schnepfe mit Täschchen), die Frauen (ein wenig grannenhaarige Blondinen) blickten auf ihren Ausschnitt, zogen die Lippen eng hinter den Tassen und dachten: „Genau wegen solcher vergewaltigt man uns!“

Die Männer, Bäuche auf Schenkeln, tranken Seife.

Bleiche Greisinnen führten zwei-drei Hündchen mit Fledermausköpfen vorüber. Serbo-Kroaten, Indo-Pakistanis und Afro-Afrikaner mit Sonnenbrillen gingen in alle Richtungen gleichzeitig und fuchtelten mit allerlei Dingen.

Stehend auf dem linken Fuß und ihn mit dem rechten kratzend, spielte ein Mädchen Bach auf einer Violine. Ein anderes Mädchen, kleiner als dieses und mit einem zugezogenen, aber nicht -geknöpften Regenschirm, stand beim Uhrtürmchen daneben und klimperte mit einem Bierglas, aber beileibe nicht im Takt.

Auf einmal wurde es dunkel, – so rasch, daß er nicht dazu kam, sich in den Glaswänden zu spiegeln, fiel ein bläulicher Regen, sozusagen im Stück. Und alle waren wie gestorben.

MITTE MAI, MAINUFER, VIER UHR NACHMITTAGS. DER UNSICHTBARE HOLUNDER

Der Fluß war gestern noch matt und stellenweise abgeschabt – wie der samtene Schuhlappen für den Hochglanz. Heute ist er bereits sonnenlackiert (als habe er sich selbst auf Hochglanz gebracht). Grünlich von den Bäumen und rötlich von den Brücken.

Den Weg eines Achters mit Schlagmann kreuzend, schwimmt, etwas stehend, ein Schwan.

Sämtliche Wohlgerüche, überwiegend von Fladerbäumen, Fliederbäumen, Faulbäumen und Falschen Akazien, haben sich mit einem anderen Geruch vermischt, und im Ergebnis roch es so nach Pisse – nach Katzenpisse oder nach Engelpisse? So muß der Holunder riechen, aber gerade vom Holunder ließ sich nichts blicken.

Am Ufer entlang:

haben sich die kleinen Pyramiden der Kastanien selbstverbrannt, geblieben sind nur ihre Skelette aus krauser Asche;

sind von den Akazien schleimige schmalen Schalen gefallen, als habe jemand Auberginen geschält auf dem Baum;

stehen die Stechpalmen mit ihren stachligen Blättern und die gepreßten Eiben noch genauso wie auch im letzten Sommer,

und nur die Stümpfe der platanischen Laokoone beginnen erst zu grünen – als wüchsen kleine zottige Nester aus ihnen.

Unter der Brücke machte ein Zigeuner mit einem Akkordeon Halt. Er zog seinen schwarzen Wachstuchhut vom Kopf und verbeugte sich vor der Brückenmauer. Wahrscheinlich stand der unsichtbare Holunder eben hier. Die Zigeuner beten bekanntlich den Holunder an. Die Deutschen machen aus ihm Konfitüre.

MÄRZ IN FRANKFURT. NACH EINEM ERSTAUNLICHERWEISE LANGEM WINTER

Am Morgen war der Schnee verschwunden vom Rasen an den Straßenrändern, es roch nach gekochter Wäsche.

An der Zoomauer unten lagen kleine bunte Scheißen.

Eine Frau (man sagt: Flugbegleiterin) ging an den Scheißen vorbei zu einem jungen Mann in einer Fliegerjacke, sie wuchtete ihre Archbacken unter dem Regenmantel mit solcher Kraft, daß sich ihr Mantelkragen bewegte.

Mehrere Kasachen in Steppjacken und in Hosen aus jener schwarzen oder dunkelblauen Baumwolle, die schon nach dem zweiten Tragen anfängt, total verwichst auszusehen, sammelten die Scheißen in Zweiradpaletten mit langem Griff. Dabei gaben sie jeder Scheiße einen besonderen Namen. Zum Beispiel: “Und was bist du für eine, du Elisabeth, du!”

Plötzlich sangen die Vöglein von allen Seiten gleichzeitig, aber nicht erkennbar, woher genau.

Im Grunde piepsen alle Vögel wie das Gummispielzeug für die Badewanne – das ist der ganze berühmte Vogelgesang. Selbstverständlich mit Ausnahme der Adler aus dem großen Käfig an der Mauer, die mit den Schnäbeln bohren unter der Achsel, und der Elsterkrähen, die sich im blauangelaufenen Himmel breit auf den Baumspitzen schaukeln. Sie schreien wie Menschen.

Aber heute aus schwiegen sie gottweißwarum.

FRANKFURT, MITTE JUNI, UNTER DER ZOOMAUER, 2 UHR NACHTS. PLATANEN, DEREN MONDE UND DER SCHWEIßIG-SÜßE GERUCH DES JASMINS

… an der Zoomauer sind die Platanen noch nicht beschnitten worden. So wurden sie mächtig, und verdecken nun beinahe der Straße deren Himmel aus blassem Lila-Rosa-Pudding mit dem herrausgelöffelten Mond in der Mitte. Dafür aber hat sich jede dritte Platane ihren eigenen länglichen Mond beschafft und breitet sich – schütter von diesem Mond und blätterig durchleuchtet — bewegungslos aus nach oben.

Von einem der länglichen Monde zum anderen schiebt sich ein auf beiden Füßen hinkender Mensch in goldener Pludderhose. Sein verkürzter verschwindender und wieder erscheinender Schatten rennt unten an der Mauer wie ein kleiner schwarzer Hund.

Entgegenkommende Passanten gehen vorsichtig langsamer, mit dem Rücken zur Mauer, und brummen entweder Italienisch oder zischeln Polnisch.

Gesichter von Frauen scheinen, beleuchtet von Mobiltelefonen, dick weißgeschminkt. Oder gar blau.

Und alles riecht schweißig-süß nach Jasmin, und es bleibt unklar, ob das tatsächlich vom Jasmin rührt, von seinen rundwinkeligen Blumen, die bei einer zufälligen Handbewegung auseinanderfallen, oder von den trockenen und langsamen Frauen in ihren unsichtbaren offenen Kleidern, die die Zoomauer entlangkommen — mit ihren rundwinkeligen Gesichtern, beleuchtet aus Mobiltelefonen – und verschwinden dahinten in der unabänderlichen Finsternis dahinten, wo die Platanen, jede dritte von ihnen, sie aufnehmen in ihr blätteriges und schütteres Licht.

Ein Fahrrad ist vorbeigefahren, es pfiff mit den Rädern wie ein Baum voll Vögel.

ELSAß, OBERER RAND DER STADT MÜNSTER (ODER MUNSTER), MANSARDE DES VORLETZTEN HAUSES BERGAUF, BALKON. DREI GERÄUSCHE UND ZWEI ZEITEN DER NACHT. DIE UNSICHTBAREN ZEPPELINE

All die Nacht hindurch dreht sich bohrend im Kopf eine Zeile, bohrend erinnernd an jemanden: „Auf dem Weg nach Paris erstarrten die Zeppeline im Schlaf“. Doch wie du auch deinen Hals verdrehst, Zeppeline sind nicht zu sehen. Es war überhaupt nichts zu sehen – auch der Mond nicht, kein Stern. Der Himmel ist dunkler als die Berge, an welchen zumindest Lampen brennen.

Unten ohne Unterlaß gurgelte und brodelte der Bergbach — aus einem Teich im Garten der Hausherren lief er hinab durch eine verrostete Flöte zum Gebäude der Berggendarmerie mit den gekreuzten Skiern auf dem Wappen. Und — zum Ausgang, aber nicht Ausklang — weiter nach unten, in die vom Washenwald eingeengte Stadt, wo der Fluß Fecht ihn erwartete, der in der Finsternis sprang.

… warum kommt einem das Ticken einer Zikade wie ein Schrecken vor — nachts im Süden? Vielleicht weil, wenn die Zikade eine Uhr wäre, die Zeit für die, die nach dieser Uhr leben, sehr-sehr schnell vergangen wäre!?

… auch das leichte krallende Reiben des Nachtfalters (mit seinen an der Unterseite rauhen Flügeln an dem warmen Kalk über dem Ohr), erschreckt — in seiner Zeit braucht augenscheinlich eine Drehung eines sich selbst unsichtbaren Kopfes zu dem ihm selbst unsichtbaren Himmel, eine ganze Ewigkeit …

In dem unsichtbaren Himmel erwachten die unsichtbaren Zeppeline und flogen nach Norden – um Paris geräuschlos zu bombardieren.

Hier aber, zwischen drei Geräuschen und zwei Schrecken, atmete gemessen das Glück. Hier war die Nacht.

Добавить комментарий